POP
Emily Barker
DEAR RIVER
India/Rough Trade CD
(50’)
Auch als LP erhältlich
Nicht ihr Talent steht Emily Barker
im Weg, sondern der Hype, der oft
zumal in britischen Gazetten zu viel
m inder begabten Nachwuchs zum
klassischen „next big thing“ in der
S in g er/S o n g w riter-E lite erklärt.
Nach dem faszinierenden Ohrwurm
„Nostalgia“ (für den Soundtrack
der „Komissar W allander“-Neuver-
film ung mit Kenneth Branagh) ist
„Dear River“ als op.
4
ihr erstes
professionell, fabelhaft produzier-
tes Album , und zw ar von Calum
Malcolm (Blue Nile, M ark Knopfler
etc.). Der Gefahr, diese hinreißende
Stim m e allzu edel oder „schön“
klingen zu lassen, erlag er nie.
F. Sch.
MUSIK ★ ★ ★
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KLANG ★
CDs
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NEUES
AUS
DER
M U S I K W E L T
GEHEIMTIPP
Gabby Young & O ther Anim als
ONE FOOT IN FRONT OF THE
OTHER
India/Rough Trade CD (auch als LP erhältlich) (49’)
Was für ein vergnügliches Tohu-
wabohu! Wenn Gabby Young mit
ihrer zirzensischen M usiknum m er
loslegt, w eiß man im Voraus nie,
wo man als Nächstes landen wird.
Die Planlosigkeit hat M ethode,
der Londonerin m acht das Ver-
w irrspiel m it Unvorhersehbarem
einen Höllenspaß - und dem Hörer
auch! Auf dem amüsanten dritten
Album jongliert Gabby artistisch
mit Backen voller Balkanblasm u-
sik, Schmachtgesängen a la Judy
Garland, einem Kirm esw alzer in
Schräglage, Calypso-Fröhlichkeit
und vielem mehr. Finanziert wurde
der exzentrische Showact zum Teil
über Crowdfunding.
hake
MUSIK ★ ★ ★
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KLANG ★ ★ ★ ★ ★
G I R L
Columbia/Sony CD
(47’)
Als Mitglied des Produzententeams
The Neptunes wurde Pharrell W il-
liams schon vor zehn Jahren eine
große Zukunft vorausgesagt. Sein
Debüt allerdings konnte
2006
die
Erwartungen nicht erfüllen. Nach
prom inenter Präsenz auf den Hits
von Daft Punk und Robin Thicke und
seinem ersten eigenen Hit „Happy“
enttäuscht auch der Nachfolger
von „In My M ind“. „Hunter“ erin-
nert an Rick James’ „Superfreak“,
„Gush“ ist konventioneller Disco-
funk. Selbst die beiden Duette mit
Justin Tim berlake und Alicia Keys
geben w enig her. Derweil nim mt
W illiam s als Ko-Artist auf Cris Cabs
Hitsingle „Liar Liar“ erneut die
Chartspitze ins Visier.
wz
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
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KLANG ★ ★ ★
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Bo Saris
GOLD
Decca/Universal CD
(57')
Nach den ersten Tönen muss man
sich erst mal überzeugen, dass hier
nicht ein zu Unrecht vergessener
Zeitgenosse von Marvin Gaye, AL
Green oder Curtis Mayfield aufge-
taucht ist. Doch was Jamie Lidell
oder Amy Winehouse recht ist, sollte
Bo Saris nur billig sein - auch wenn
sich dieser noch viel konsequenter
und authentischer zurück in die Mo-
town-Soul-Ära zurückbegibt. Selbst
Verächter aller Epigonen werden
zugeben müssen, dass Boris Titu-
lier alias Bo Saris ungeheuer lässig
und mitreißend ans Werk geht. Dre
Harris - Produzent etwa von Michael
Jackson oder Mary J
Blige - sorgte
für die rechte Balance zwischen
Tradition und Moderne.
pb
MUSIK ★
KLANG ★ ★ ★
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1
R ailroad Earth
LAST OF THE OUTLAWS
Black Bear/Cargo CD (auch als LP erhältlich)
(71’)
Dass ihnen die Kurzform des
D rei-M in u ten -S o n g s au f D auer
w ahrscheinlich nicht genügen
w ürde, zeichnete sich seit
2010
ab. Dam als benötigte die Ideen-
fü lle von Railroad Earth in dem
In strum en talstü ck „S pring-H ee-
led Jack“ bereits e lf M in u ten .
Im groß angelegten Zyklus „All
T h a t’s Dead M ay Live A g ain “ /
„Face W ith A H ole“ verdoppeln
sie die Spieldauer jetzt sogar. In
insgesam t sieben Sätzen, deren
Bezeichnungen „Tuba M iru m “ ,
„Lacrim osa“, „Dies Irae“ usw. der
Liturgie der katholischen Toten-
m esse entstam m en, breiten die
A m erikaner musikalisch originell
ihre G edanken über G ew altakte
in m odernen G esellschaften und
den Traum von einem friedlicheren
Zusam m enleben aus.
Die
21
-m in ütige Kom position
bildet die Drehscheibe des sieb-
ten Studio albu m s. Drum herum
gruppieren Todd Sheaffer & Co.
Klangzutaten aus den unterschied-
lichsten (Am ericana-)Abteilungen.
Roots-Rock an meist unverstärkten
Instrumenten, Newgrass („Chasin’
A Rainbow “), Psychedelisches,
A lt-C ountry („The Last O f The
O utlaw s“), Pennywhistle-Folk und
Jazzimpro verdichten sie zur indi-
viduellen, ihnen allein gehörenden
Soundm ixtur. Neben den üblichen
Tonerzeugern (W esterngitarre, Lap
Steel, Mandoline, Banjo, Stehbass)
spielen im „Progressive Folk“ der
US-Akteure diesm al Streicher und
Bläser eine große Rolle.
Dass das Sextett seine ländliche
Akustikm usik m itten in den W äl-
dern von New Jersey aufgenom -
men hat, passt ins Bild. In einem
versteckt liegenden Privatstudio
fanden die B andm itglieder jene
heim elige Atm osphäre vor, in der
sich K reativität, frische Einfälle
und die Courage zum Beschreiten
neuer Wege ungehindert entfalten
konnten.
Harald Kepler
MUSIK
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KLANG ★ ★ ★
Eno/Hyde
SOMEDAY WORLD
Warp Records/Rough Trade CD
Seit den
1990
er Jahren spielt Brian
Eno im Studio m it polyrhythm i-
schen Musikstrukturen herum und
samm elt die Experimente im digita-
len Notizbuch. Nun hat der Englän-
der einige dieser Grundideen, die er
in einer Verschmelzung der Namen
von (Steve) Reich und (Fela) Kuti
„Reickuti“ nennt, mit Karl Hyde vom
Elektronik-Duo Underworld zu gan-
zen Songs ausgebaut. Repetitive
M uster aus der M inim al Music, den
Drive von Afrobeat und eingängige
Gesangsmelodien verknüpfen die
beiden zum technoiden Pop. Das
Klangergebnis w irkt m anchm al
etwas spröde, langweilig wird es
auf „Someday W orld“ aber nie.
hake
MUSIK
KLANG ★ ★ ★
Chuck E. Weiss
RED BEANS AND WEISS
Anti/Indigo
(49’)
Auch als LP erhältlich
Nach
Exzerzitien in
Rockabilly
(„Tupelo Joe“), Jazz („Sushie“) und
Blues („Boston Blackie“) ist zwei
Songs lang Zeit für eine Captain-
Beefheart-Hom m age. Im „Exile On
Main Street Blues“ werden danach
Klassiker des Albums namentlich
erwähnt. Für das, was Tom W aits’
Kumpel (der von „Chuck E.’s In
Love“) des W eiteren an Tex/M ex
(„Hey Pendejo“), Rock ,n ‘ Roll
(„Dead M an’s Shoes“), authentisch
nachem pfundenem frühen M em -
phis-Soul und dem Voodoo-Spek-
takel von „The Hink-A-Dink“ bietet,
ist der Begriff eklektizistisch der
richtige. Durchgeknallt ist das im
letzten Song hier!
F. Sch.
MUSIK
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KLANG ★
128 STEREO 6/2014
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